Im Bürger*innenasyl Barnim setzten wir uns gegen Abschiebung, Isolation und Rassismus ein. In diesem Rundbrief geben wir einen Überblick über unsere öffentlichen Aktivitäten des letzten Jahres (und erste Aktionen dieses Jahres), über Herausforderungen und Themen, die uns besonders beschäftigt haben. 2023 konnten wir 19 Menschen unterbringen und unterstützen, ihre Abschiebung zu umgehen. Dies ist nur möglich durch die Solidarität vieler Menschen, die uns Geld, Wohnraum, Ideen und Zeit zur Verfügung stellen. Ein großes Danke an alle Spender*innen, Unterstützer*innen und Freund*innen!
Was haben wir gemacht 2023?
Neben der direkten Unterstützung von Menschen, viel geselligem Beisammensein, Austausch, Renovieren, gemeinsamem Essen und Feiern, folgt hier eine Übersicht zu unseren öffentlichen Aktionen:
Demo vor der Ausländerbehörde Eberswalde
Das erste Mal gemeinsam auf die Straße ging es im März zu einer Kundgebung von „Barnim für alle“ vor der Eberswalder Ausländerbehörde. Als Gruppe von Geflüchteten fordern „Barnim für alle“ das Ende von Abschiebungen, Duldungen, Arbeitsverboten und Isolation durch die Unterbringung Asylsuchender in Lagern und Gemeinschaftsunterkünften.
Radeln gegen Rassismus 2023
Gegen die unmenschlichen Verhältnisse in Wohnheimen richtete sich auch unser „Radeln gegen Rassismus“. Im Mai ging es mit über 100 Menschen von Bernau aus zu Wohnheimen in Bernau-Waldfrieden, Basdorf, Wandlitz und Klosterfelde. Das Heim in Klosterfelde befand sich zu der Zeit noch im Aufbau. Inzwischen wurde es, trotz der anfänglichen rassistischen Mobilisierung dagegen, eröffnet. Nach unserem Stand ist es um die rechten Initiativen vor Ort still geworden. Die Fahrradtour war ein großer Erfolg. Women in Exile hielten eine Rede und Menschen konnten am Mikrofon über ihre Erfahrungen berichten, der WuckiZucki Kinder-zirkus gab uns eine kleine Show, es gab live-Musik und allerlei Verpflegung sorgte für’s Wohlbefinden.
Protest-Camp: Abschiebezentrum verhindern
Am Flughafen Berlin Brandenburg (BER) plant die Regierung den Bau eines Abschiebezentrums, in dem bis zu 120 Menschen zum Zweck der Abschiebung und in sogenannten Flughafen-asylverfahren inhaftiert werden können.
Die Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ rief im Juni zu einem einwöchigen Protestcamp dagegen auf. Ein Teil des Bürger*innenasyls besuchte gemeinsam das Protestcamp. Zusammen mit dem Soli-Asyl Potsdam gaben wir einen Workshop zu dem Thema Soli-Asyl, in dem wir unsere Erfahrungen teilten und gemeinsam neue Ideen austauschten. Wir nutzten das Protestcamp vor allem zur Vernetzung mit anderen Gruppen. Mehr Bündnisse zu schließen, um dem Kampf gegen Abschiebungen gemeinsam zu beschreiten war eines der Ziele, dass wir uns für 2023 gesetzt haben. Für uns hat sich hier ein anhaltender Austausch mit dem SoliAsyl Potsdam und der Schlafplatzorga Berlin ergeben.
Demo: Abschiebungen gefährden Leben
Im September schockierte uns die Nachricht über den Verlauf eines Abschiebeversuchs. Auf Grund des gewaltvollen Verhaltens der Polizei stürzte sich ein Mensch aus Panik und Angst aus dem Fenster des fünften Stocks und verletzte sich dabei lebensgefährlich. Der 25-jährige überlebte den Sturz, hat jedoch seitdem mit starken körperlichen und seelischen Verletzungen und tiefer Frustration über die bestehenden Strukturen zu tun. In Eberswalde demonstrierten wir am 08. September unter dem Titel „Abschiebungen gefährden Leben“ gegen Abschieb-ungen und das gewaltvolle Verhalten der Polizei. Denn dies ist einer von mehreren Fällen in denen durch Abschiebungen oder Abschiebe-versuche Menschen in Lebensgefahr gebracht wurden. Ein großes Thema auf der Demo war die Angst von Betroffenen und deren Freund*innen und Familien, die durch solche Geschehnisse immer größer wird.
Protest und Punsch
Die letzte Aktion des Jahres widmete sich wieder dem Kampf gegen Ausländerbehörden: Zum bundesweiten Aktionstag gegen Ausländerbehörden, demonstrierten wir in Eberswalde neben 14 anderen Städten gegen Rassismus in Ämtern. Wir haben hier bei Punsch und Snacks mit Freund*innen und Unterstützer*innen auch ein bisschen gefeiert und das Jahr ausklingen lassen.
Weitere Aktionen
Beim Bernauer Straßenfest und dem Tag der offenen Tür an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde waren wir mit Infoständen dabei. Wir unterstützten außerdem tatkräftig Aktionen von Biesenthal bunt statt braun, z.B. das Solidarische Abendessen am 8. Mai zum Tag der Befreiung und den Shoah Gedenktag im Januar 2024.
Kleiner Einblick in 2024
Im März 2024 organisierten wir eine Demo gegen Unmenschlichkeit in Eberswalde. Grund dafür waren einmal mehr verschiedene gewaltvolle Einsätze der Landespolizei in Eberswalde und Brandenburg. Die Polizei stürmte bei einem Abschiebeversuch eine Wohnung ohne Rücksicht auf unbeteiligte kleine Kinder und eine schwer verletzte Person. Die bereits erwähnte Person, die im letzten September bei dem Abschiebeversuch eines Freundes vor Panik aus dem Fenster sprang, erfuhr erneut Gewalt. Immer noch unter den Folge-Verletzungen leidend, musste die Person nach dem Polizeieinsatz erneut ins Krankenhaus.
Im Juni 2024 haben wir erneut zu einer antirassistischen Fahrradtour eingeladen. Wir besuchten nach einem Stopp an der Amadeu António Gedenktafel zwei Wohnheime in Eberswalde, das Heim „Haus der Toleranz“ und ein Wohnheim in Buckow. Die Fahrradtour endete vor dem Palanca mit gemeinsamen Essen und Ausklang. Wir merken: Aktionen wie diese machen Spaß, sie verbinden und stärken den gemeinsamen Kampf gegen Abschiebungen.
Herausfordernde politische Entwicklungen
Einige politische Entwicklungen haben unsere Arbeit stark beeinflusst und verändert. Im Jahr 2023 sind weltweit 114 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie noch nie, weit mehr als im Zweiten Weltkrieg. Die wenigsten davon kommen nach Europa. Im April 2023 brach der Bürgerkrieg im Sudan gewaltvoll aus. Neun Millionen Menschen sind auf der Flucht, der UN Sonderbeauftragte für den Sudan bezeichnet ihn als die aktuell größte humanitäre Katastrophe der Welt. In unserer Partnergruppe „Barnim für alle“ sind mehrere Aktivist*innen aus dem Sudan, die seit dem Ausbruch des Krieges voll mit exilpolitischem Engagement und der Unterstützung ihrer fliehenden Familien gefordert sind.
In Deutschland verschärfte sich der Diskurs wie auch die Politik gegen geflüchtete Menschen. Dazu gehören die europaweiten Abschottungsgesetze, und die Verschärfungen bei Abschiebungen aus Bundes- und Landesebene – die gesetzlichen Möglichkeiten werden erweitert und die Bereitschaft, noch unmenschlicher abzuschieben, nimmt zu – wie die brutalen Abschiebeversuche im September 2023 und im März 2024 in Eberswalde bei uns lokal zeigen.
Die Verschärfung des Diskurses äußert sich auch darin, dass geflüchtete Menschen statt Über-weisungen ihre Leistungen als „Bezahlkarten“ bekommen sollen. Ihre Freiheiten werden dadurch enorm einschränkt, denn nur in bestimmten Läden, teils nur an bestimmten Orten kann damit bezahlt werden. Darüber hinaus bekommen Geflüchtete seit letztem Jahr die ersten 3 Jahre nach Ankunft (vorher waren es 18 Monate) nur sehr eingeschränkte Sozialleistungen. Die Leistungen sind deutlich unter Hartz4 und medizinische Behandlung wird nur als Notfallbehandlung bezahlt. Viele müssen trotz dieser sowieso nicht ausreichenden Leistungen von dem wenigen Geld noch etwas an ihre Familien schicken die sich anderswo in Not befinden. Mit den Bezahlkarten werden Überweisungen ins Ausland nahezu unmöglich gemacht. Auch einen Anwalt zu bezahlen ist kaum möglich. Im Diskurs um die Bezahlkarten wird es dagegen so dargestellt, als wenn Geflüchtete Sozialleistungen massenhaft missbrauchen würden.
Die vielfältigen Krisen machen, dass einige von uns sich anderswo engagieren (müssen) und wirken auf uns manchmal lähmend, machen Angst und hemmen unser Engagement. Zu den Krisen gehören unter anderem die Klimakrise, aktuelle Kriege weltweit, die Wahlprognosen der AfD und die Verschiebung der Politik nach rechts bei fast allen Parteien. Insgesamt versuchen wir aber, kontinuierlich an unseren Themen dranzubleiben. Unabhängig von den akuten Krisen bleibt unser Ziel, uns stark und langfristig gegen rassistische Strukturen und Politiken, und gegen Abschiebungen im Besonderen einzusetzen. Unter anderem Eure Spenden machen dies möglich:
Was wir mit Euren Spenden gemacht haben
Wie schon immer, verursachen die Aktionen und die Öffentlichkeitsarbeit des Bürger*innen-Asyls kaum Kosten. Wofür wir Eure Spenden dagegen sehr dringend brauchen ist die konkrete praktische Unterstützung. Im Jahr 2023 konnten wir 19 Menschen unterstützen ihrer Abschiebung zu entgehen. Dafür brauchten wir Geld für den Lebensunterhalt, die Miete, Fahrtkosten und anderes. In einigen Fällen übernahmen wir auch Gerichts- und Anwaltskosten für Menschen, denen „illegale Einreise“ oder „illegaler Aufenthalt“ vorgeworfen wurde. Die Vorwürfe sind in der Regel haltlos und die Verfahren werden eingestellt. Wir haben 2023 etwa 8500 Euro für Zimmerkosten ausgegeben, 10.000 Euro für Lebensunterhalt und 1600 Euro für Anwaltskosten. Die Ausgaben lagen im Schnitt bei etwa 2500 Euro pro Monat. Mehr als die Hälfte davon erhalten wir monatlich durch regelmäßige Dauerspenden, der Rest waren einmalige Spenden und andere Einnahmen.
Wir haben seit 2023 deutlich mehr Zimmer und Wohnungen als zuvor, an verschiedenen Orten, auch über den Barnim hinaus. Wir freuen uns sehr, dass wir immer mehr unsere Fühler ausstrecken und immer mehr solidarische Menschen finden, die Zimmer zur Verfügung stellen. In den meisten Fällen fallen dafür Mietkosten an, dazu kommen Geld zum Lebensunterhalt der Personen, Anwaltskosten, selten medizinische Kosten. Weitere Spenden, vor allem Dauerspenden, können wir dringend gebrauchen!
Auf mehreren Soli-Veranstaltungen sammelten andere Gruppen und Menschen Geld für uns als Bürger*innenasyl Barnim. Ein großes Danke dafür! Wir hatten viel Freude auf den Veranstaltungen im Dosto in Bernau, auf dem Konzert von Merle zum Album Release Tiger*INNEN, auf der Veranstaltung „Kein Aperol Spritz für Nazis“ und von der neu gegründeten „Initiative gegen Rechts Eberswalde“.
Übrigens könnt ihr weiterhin noch unseren öffentlichen Aufruf für‘s Bürger*innen-Asyl unterzeichnen. Aktuell sind es 101 Menschen aus dem Barnim, die sagen: Wir sind bereit, Menschen zu schützen, die von Abschiebung bedroht sind. Unterzeichnen kannst du hier: https://www.b-asyl-barnim.de/aktiv-werden/
Danke an alle Unterstützer*innen und Spender*innen. Wir freuen uns auf dieses Jahr!
Spendenkonto: Barnim solidarisch
IBAN: DE78 1705 2000 1110 0262 22
Sparkasse Barnim
Verwendungszweck: Unterstützung
Wir können für dieses Konto keine Spendenbescheinigungen ausstellen. Wenn ihr mit Spendenbescheinigung spenden wollt, kontaktiert uns bitte vorher.